Jetzt will er es wissen! Rief die Poesie. Von jetzt an muss ich meine Ermittlungen intensivieren.
Büchereileiterin Euphoria fotografierte die buchstäbliche Schweinerei zur Dokumentation und für Beweiszwecke, dann gingen die Bibliothekarinnen ans Werk und säuberten ihre Bücherei, damit die lesehungrigen Besucherinnen und Besucher am folgenden Tag nicht auch noch von den Untaten des unbekannten Unholdes beeinträchtigt wurden.
Erschöpft gingen die Damen dann gegen Mitternacht nach Hause. Die Bücherei strahlte wieder in gewohntem Glanz. Die Poesie blieb und richtete sich auf dem Sofa ein Lager für die Nacht.
Und wenn ich hier drin alt werde, sagte sie, wir werden jetzt nicht mehr locker lassen, nichts soll uns mehr entgehen. Wir werden dem Halunken auf die Spur kommen!
Die Nacht verging ohne besondere Vorkommnisse. Die Poesie tat jedoch kein Auge zu. Sie lauerte und lauschte auf jedes Geräusch, doch nichts geschah. Im Morgengrauen hörte sie die Damen des Bürgerservice das Gemeindeamt betreten, dem die Bücherei angeschlossen war.
Nun wird er sich ohnehin nicht mehr trauen, dachte die Poesie und richtete sich auf.
Wichtig war es nun, Klarheit zu gewinnen, um ganz gezielt weiter ermitteln zu können.
Die Poesie erstellte mit ihrem Bleistift folgende Liste:
Gesucht wird ein Mann, mittelgroß, eher leicht übergewichtig, der
– Zigarren schätzt
– Fingerfarbe liebt
– die Farbe Rot bevorzugt
– Handschrift: eher krakelig/unbeholfen/kantig/ohne den gewissen Schwung
– dem Alkohol nicht abgeneigt ist (Stichwort: Flachmann)
– nah am Wasser gebaut ist oder tatsächlichen Kummer (welcher Art?) hat (Stichwort: benutztes Taschentuch)
– großes Talent hat, sich umbemerkt an- und wieder davonzuschleichen
– also eher feige ist (schwere Komplexe nicht auszuschließen)
– trotz allem halbwegs gerne zu lesen scheint
– evtl. einen engeren Bezug zum ehemaligen Westberlin oder dem Mauerfall 1989 hat (Stichwort: Herr Lehmann)
– einen weiteren Bezug zum ALT WIEN KAFFEE hat
– geschichtlich interessiert ist (Stichwort: römisches Reich)
– eher pessimistisch veranlagt ist
– einen Zugang zu frischem Schweinsbraten hat oder diesen selbst gerne schmort
– scheinbar irgendeinen Frust auf die Bücherei Kirchstetten schiebt
Ergänzungen und Hinweise bitte jederzeit an die Poesie oder die Mitarbeiterinnen der Bücherei!
Die Poesie kopierte die Liste und machte sich sofort auf den Weg, sie in ganz Kirchstetten samt aller Katastralgemeinden auszuhängen. Da die Katastralgemeinden zahlreich waren, dauerte dieses Unterfangen bis zum Abend.
Erschöpft kehrte die Poesie in die Bücherei zurück. Euphoria war dort noch mit letzten Büroarbeiten und Rücksortierungen beschäftigt. Sie meldete, der Tag sei ruhig verlaufen. Besucherinnen und Besucher seien wie immer zahlreich gewesen, allesamt aber freundlich und unauffällig.
Doch der Tag sollte nicht ruhig zu Ende gehen. Euphoria war gerade gegangen und die Poesie war schon dabei, sich das Lager für die nächste Nacht herzurichten, als es an die Scheibe klopfte. Kassandra, die Besitzerin des Kirchstettner Nahversorgers wedelte draußen mit einem Blatt Papier. Die Poesie öffnete ihr die Tür.
Eure Liste war ruckzuck verschwunden, rief Kassandra. Ich habe es nicht sofort bemerkt. Aber stattdessen hing nun dieser Zettel an meiner Pinnwand. Ich dachte, er könnte von Interesse für die weiteren Ermittlungen sein. Wenn man mich fragt: Ich sehe nichts Gutes auf Kirchstetten zukommen…
Die Poesie nahm den Zettel entgegen und schaute darauf.
Ich glaube, mein Schwein pfeift, sagte sie.
Und wie zur Bestätigung begann der Bleistift der Poesie so derart stark zu glühen, dass Rauch aus seiner Spitze drang und die Bücherei im Nu völlig eingenebelt war. Der Rauchmelder sprang an und gab seinen unerträglich hohen Pfeifton von sich.