Achtung, Achtung. Sagt die Poesie, und ich erschrecke, denn sie spricht selten so laut wie heute. Achtung, Achtung. Sagt sie noch einmal, und: Heute trinke ich einen Kaffee zur Verteidigung der Demokratie. Auch wenn ich weiß, dass ich Kunst bin, und dass so ein lächerliches Tässchen Kaffee meinerseits nicht viel bewegen wird, muss einmal gesagt sein, dass ich von Herzen eine Demokratin bin, und dass jedes Wort, das ich dichte, nichts anderes im Sinn hat als Demokratie, Gewaltlosigkeit und Wahrheitsfindung. Und solange die Dummheit nicht schweigt, werde auch ich es nicht tun.

Die Poesie bewegt ihr Tässchen an die Lippen und nimmt ein kleines Schlückchen daraus. Sie zittert jetzt, sie schaut blass aus und scheint erschöpft nach diesen großen Worten. Die Poesie ist für solcherlei grobe Erhebungen ihrer Stimme nicht geschaffen. Es sind naturgemäß die leisen Töne, die ihr liegen. Aber das hat einmal gesagt gehört, und was gesagt werden muss, davor darf sich auch die Poesie im Notfall nicht scheuen. Sie trinkt noch ein Schlückchen, da kehrt schon die Farbe in ihr Gesicht zurück und sie hört auf, zu zittern. Ich klopfe ihr auf die Schulter, reiche ihr den Bleistift. Von wegen Erschöpfung, sagt sie, und sie verzichtet vor lauter Lebensmut heute auf Papier und schreibt gleich in die Luft, die auch die Antidemokraten früher oder später einatmen werden. Und während die Poesie mit ihrem Bleistift in die Luft dichtet, verwandelt sich ihr Tässchen in ein Fass, einen Container, ein Schwimmbecken, ein Weltmeer. Kein Mensch kann soviel Kaffee trinken, wie da jetzt reinpasst, aber darum geht es längst nicht mehr.

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