Schon Anfang Dezember hat die Poesie, wie es der Brauch vorgibt, im Garten Kirschzweige geschnitten und sie in eine Vase gesteckt, die seither auf dem Küchentisch steht. Die Zweige blühen etwas später, als es offiziell Glück hätte bringen sollen, nämlich erst jetzt. Wir sitzen stumm und bewundern die zarten, weißen Blüten. Noch während ich das schreibe, denke ich: Zart und weiß, das ist schon zu viel gesagt, zu viel gedacht, man sollte im Zusammenhang mit diesen Blüten nichts denken und sagen oder schreiben, sondern nur schauen und staunen.

Aber auch die Poesie schafft es nicht, nur zu schauen und zu staunen. Sie sagt: So geht ja nichts weiter.

Sie nimmt einen Kirschzweig, steckt ihn in ihren Kaffee und rührt kräftig damit um. Eine zarte, weiße Schicht Frühling schwimmt nun in ihrer Tasse. Die Poesie nimmt einen großen Schluck, dann steht sie auf und beginnt.

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